In ihrer Bewerbungsrede sprach sich Ursula von der Leyen für eine ambitionierte Klimapolitik aus. Die Photovoltaik- und Erneuerbaren-Branche in Deutschland und Europa regierte positiv, will nun aber auch Taten sehen. Die Grünen halten die in Aussicht gestellten Klimaschutzpläne dagegen für unzureichend.
Am Dienstagabend hat das EU-Parlament in Straßburg die bisherige deutsche Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionspräsidentin gewählt. Die Mehrheit war dabei denkbar knapp. 383 europäische Abgeordnete stimmten für von der Leyen, gerade einmal neun mehr als sie für die Mehrheit benötigte. Dabei hatte die CDU-Politikerin am Morgen eine ambitionierte Rede gehalten. Es war der Versuch, noch fehlende Stimmen einzusammeln, unter anderem bei den Grünen. Deshalb war ein Schwerpunkt ihrer Rede dem Klimaschutz gewidmet.
Dabei versprach von der Leyen eine ambitionierte und engagierte Politik in diesem Bereich. „Ich möchte, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Das geht aber nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Unser gegenwärtiges Ziel von 40 Prozent weniger Emissionen bis 2030 ist nicht ausreichend“, sagte sie im EU-Parlament. Europa müsse ehrgeiziger sein und über sich hinauswachsen. „In zwei Schritten möchte ich die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent senken, möglichst sogar um 55 Prozent“, erklärte von der Leyen weiter. Damit werde die EU bei internationalen Verhandlungen eine Vorreiterrolle einnehmen und auch andere große Volkswirtschaften bewegen, bis 2021 mehr Einsatz zu zeigen.
„Deshalb werde ich in den ersten 100 Tagen meiner Amtszeit einen „Green Deal für Europa“, eine ökologische Wende unserer Gesellschaft, vorschlagen. Gleichzeitig werde ich das erste Europäische Klimaschutzgesetz überhaupt einbringen, das die Ziele für 2050 in Recht gießt“, erklärte von der Leyen. Ihr sei auch klar, dass dafür entsprechende Investitionen getätigt werden müssten. „Öffentliche Gelder werden nicht ausreichen. Deshalb werde ich einen Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa vorschlagen und Teile der Europäischen Investitionsbank in eine Klimaschutzbank umwidmen. Dies dürfte in den nächsten zehn Jahren Investitionen in Höhe von 1 Billion Euro bewirken“, so die deutsche Politikerin.
Jeder Industriezweig und Mensch müsse seinen Beitrag leisten. Allerdings werde sich dies nur realisieren lassen, wenn Emissionen einen Preis hätten. Mit der Einführung einer CO2-Grenzsteuer wolle von der Leyen verhindern, dass es nur zu einer Verlagerung der CO2-Emissionen komme und die Unternehmen zu gleichen Bedingungen miteinander konkurrieren könnten. Für die am stärksten vom Wandel betroffenen Regionen wolle von der Leyen einen Fonds für einen fairen Übergang vorschlagen.
Wenn alles planmäßig verläuft, wird Ursula von der Leyen die Arbeit als EU-Kommissionspräsidentin zum 1. November offiziell aufnehmen.
Reaktionen auf die Pläne aus Deutschland
Mit ihren Vorschlägen konnte sie die Herzen der grünen Abgeordneten nicht gewinnen. Sie stimmten gegen von der Leyen. Hans-Josef Fell, Mitbegründer des EEG in Deutschland und langjähriger Bundestagsabgeordneter der Grünen, verteidigt dies. „Die Grünen haben richtig gehandelt, sie wegen vollkommen unzulänglichen Klimaschutzzielen nicht zu wählen und so ein Zeichen für die Notwendigkeit von wirklich wirksamen Klimaschutz zu geben“, sagte Fell auf Anfrage von pv magazine. „Die neu gewählte EU Kommissionspräsidentin hat trotz ihrer allgemeinen Klimaschutzrhetorik noch nicht verstanden, was für die Rettung des Weltklimas tatsächlich notwendig ist. Eine klimaneutrale EU bis 2050, wie sie es vorschlägt, wird weit über 2050 hinaus noch erhebliche schädliche Emissionen zulassen.“ Damit lasse sich auf keinen Fall das 1,5 Grad Celsius einhalten, welches ja schon schlimmste Auswirkungen in der Welt haben werde, so Fell weiter.
Beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) ist man nicht ganz so pessimistisch. Der„Green New Deal“ könne zu einem wirklichen Leitbild für Europa werden. „Wenn der Klimaschutz und die CO2-Einsparung über alle Sektoren hinweg glaubwürdig zum Ziel europäischer und nationaler Politik wird, schafft dies Planungs- und Investitionssicherheit für europäische Unternehmen und setzt Anreize, in zukunftsweise Technologien einzusteigen“, so BEE-Präsidentin Simone Peter. Bei der Umsetzung einer solchen Politik könne sie sich auf die Unterstützung der deutschen und europäischen Erneuerbaren-Verbände verlassen. Zugleich mahnte Peter jedoch, dass die gesetzten Akzente nun konkret ausgestaltet werden müssten. Sie wünschte von der Leyen „einen guten Start für die herausfordernde Aufgabe“.
Reaktionen aus Europa
Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch von europäischen Verbänden gab es erste Reaktionen auf die Wahl von der Leyens zur neuen EU-Kommissionspräsidentin für die nächsten fünf Jahre. Solarpower Europe-CEO Walburga Hemetsberger bezeichnete ihre Agenda als „eine gute Nachricht für die europäische Solarbranche“. Ihre bereits für die ersten 100 Tage angekündigten Vorhaben, könnten für die Photovoltaik sehr positiv sein. „Die versprochene Agenda sieht Verpflichtungen Klimaneutralität der EU und der Verabschiedung eines Klimagesetz vor, in dem ein gesetzliches Ziel für 2050 Netto-Null-Emissionen festgelegt wird. Ein Schritt in die richtige Richtung für den Energiewendeprozess, der eine deutliche Steigerung des solaren Einsatzes gewährleisten kann“, erklärte Hemetsberger auf Anfrage von pv magazine. Solarpower Europe bewertet zudem die geplante Anhebung des CO2-Reduktionsziels bis 2030 als positiv.
Zugleich habe von der Leyen die Verabschiedung einer neuen Industriestrategie versprochen, die auch saubere Technologien umfasse. Dies fordert auch Solarpower Europe seit längerem. „Wir freuen uns darauf, die konkreten Vorschläge des European Green Deal zu analysieren, bei dem die Solartechnologie als die kostengünstigste, vielseitigste und arbeitsplatzintensivste saubere Energietechnologie bereit ist, eine führende Rolle zu spielen“, so Hemetsberger weiter.
Den Wunsch nach einer stärkeren nachhaltigen Ausrichtung der europäischen Industriepolitik hat auch der European Solar Manufacturer Council (ESMC) sowie die Photovoltaik-Herstellervereinigung EU Prosun. „Das war eine wirklich starke Rede. Klimaneutralität bis 2050, ein Klimaschutzgesetz, Carbon Border Tax sind alles Themen, auf die wir in Brüssel lange gewartet haben“, erklärte Milan Nitzschke, Präsident von EU Prosun. „All dies auch durchzubekommen, wird nicht einfach. Aber der Anfang ist gemacht.“
„Wir sind sehr beeindruckt und erfreut über ihre starken proeuropäischen Aussagen sowie die ehrgeizigen klimapolitischen Ziele, die sie gestern in ihrem Vortrag vor dem EU-Parlament angekündigt hat“, erklärte der designierte ESMC-Vorsitzende Eicke Weber. Die Vereinigung von Photovoltaik-Herstellern, Anlagenbauern und Wissenschaftsinstitituten freue sich auf „eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit der EU-Kommission unter ihrer Leitung, insbesondere in der Frage der Stärkung der europäischen Photovoltaik-Industrie.“ Weber betonte, dass angesichts der fortschreitenden Energiewende enorme Aufgaben vor Europa lägen. „In Europa hergestellte Photovoltaik-Systeme sollten in diesem wachsenden Markt eine wichtige Rolle spielen.“
Nicht nur Photovoltaik- und Erneuerbaren-Verbände in Europa hoffen nun auf Taten von der neu gewählten EU-Kommissionspräsidentin. Auch aus dem Gassektor kann Ursula von der Leyen auf Unterstützung hoffen, wenn es um die angestrebte Dekarbonisierung des Energiemixes in der EU geht. „Es ist wichtig, dass diese Kommission den politischen Rahmen schafft, der die innovativen Gastechnologien wie Power-to-Gas, CCS und Biomethan liefern kann, die der EU helfen können, ihre Klimaziele kostengünstig und öffentlich akzeptabel zu erreichen“, erklärte Eurogas-Generalsekretär James Watson. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Energiewendeprozess mit so viel öffentlicher Unterstützung wie möglich durchgeführt wird, und die Nutzung der bestehenden Gasinfrastruktur ist ein perfekter Weg, um die Störungen des täglichen Lebens der europäischen Bürger auf unserem Weg durch den Energiewendeprozess zu verringern.“ Dafür sei es auch notwendig, dass von der Leyen die Entwicklung von Zielen für erneuerbares und dekarbonisiertes Gas in naher Zukunft überwache, so Watson weiter.
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